Re-Upload eines älteren Artikels vom Juli 2020:
Warum Frauen und Mütter wirklich zu Sexualstraftäterinnen werden - eine Analyse in der Tiefe
Aufgrund der aktuellen Geschehnisse in Münster, Lüdge und Karlsruhe gab Lydia Benecke ein Interview zu diesem Thema bei RTL. Daraufhin gab es recht unterschiedliche Kommentare in den sozialen Netzwerken.
Zum Einen: siehste mal - Frauen und Mütter sind genauso schlimme SexualstraftäterInnen wie Männer (was definitv und zahlenmäßig nicht stimmt) und zum Anderen: wie kann sie Frauen nur so in den Rücken fallen, sie ist eine Gefahr für den Feminismus!
Ich schätze Lydia als analytisch und wissenschaftlich denkende Frau sehr. Auch ihre Bücher sind Klassiker und Bestseller. Ich kenne Lydia persönlich, da wir einen gemeinsamen Nenner haben, den Verlag "Edition Roter Drache", für den ich mehrmals auf dem Wave Gothic Treffen in Leipig den Bücherstand im Heidnischen Dorf betreuen durfte, wo ich sie auch mehrmals traf für den und mittlerweile auch Buchrezensionen verfasse.
Nur, was mich persönlich ein wenig enttäuscht, ist, dass sie mit ihrer wertvollen Arbeit ausschließlich im "System" bleibt und arbeitet, ohne dieses "System" zu hinterfragen. Und dabei die berechtigten Fragen zu stellen: "Woher kommen denn all die PsychopathInnen, Massenmörder und Sexualstraftäter?" So, als ob diese Auswüchse des Menschseins schon immer vorhanden waren.
In einer gesunden "Gesellschaft", in der wirklich alle Menschen gleichberechtigt sind, besonders die Rechte auf Selbstbstimmung von Frauen, Müttern und Mädchen gewahrt werden, wird es keine Sexualstraftaten und -täter geben. Denn ein gesunder Mann achtet die sexuelle Selbstbestimmung der Frau und kann seine Gefühle und "Triebe" gesund unter Kontrolle halten.
Wann begann denn dann die sexuelle "Übergriffgkeit" des Mannes?
Es war die Zeit, als der Mensch anfing, Besitzansprüche über andere Menschen, besonders Frauen und ihre Kinder, Tiere und Ländereien zu stellen.
Das über Jahrhundertausende friedlich gelebte Matrifokal* wurde gewaltvoll zerstört und exisitiert heute nur noch in rudimentären Enklaven, wie z. B. bei den Mosuo, den Dinè (Navajo), den Tuareg oder den Nachkommen der 5-Nations.
Um ihre Macht und Stärke zu demonstrieren überfielen die ersten Hirtennomaden aus dem Kaukasus ihre umliegenden Gegenden mit den dort friedlich lebenden Menschen, töteten alle Männer und Jungen, vergewaltigten die Frauen und trennten diese von ihren Töchtern und versklavten diese.
Klingt irgendwie immer noch furchtbar aktuell, wenn man sich die Gräueltaten des IS ansieht, obwohl hier eine zeitliche Distanz von 6000 Jahren vorliegt. Auch der europäische Kolonialismus schenkt sich in dieser Hinsicht nichts, denn dort, wo die Nachfahren der kaukasischen Hirtennomaden sich ausbreiteten (mittlerweile weltweit!), übernahmen sie Land und Menschen.
Die Menschen wurden (und werden auch heute noch!) versklavt, ausgebeutet, ermordet, das Land entweder für die Landwirtschaft der eigenen Siedler-Bevölkerung genutzt, oder wegen der "Bodenschätze" zerstört und ausgebeutet. Gesunde, bestehende Ökosysteme mit Mensch, Tier und Pflanze wurden und werden ausgelöscht. Und je "schlimmer" ein Mann, oder eine Gruppe von Männern, sich verhält, desto mehr wird er (oder die Gruppe) im Rang seiner Peer-Group steigen. Da wirkt dann sogar das Belohnungssystem im Hirn mit.
In diesen 6000 Jahren konnte sich die männliche VorHERRschaft mit immer ausgeklügelteren Waffen, politischen und spirituellen Dogmen bis heute durchsetzen. Kriege, Vergewaltigungen (auch und besonders als Kriegswaffe), Sklaverei, Prostitution, all dies sehen wir heute als "normal" an, auch wenn wir uns immer wieder eine Welt in Frieden und Freiheit wünschen.
Bei all diesen "Machtinstrumenten" geht es genau darum - um Macht. Macht über andere, schwächere, um sich selbst als Mächtiger über andere zu stellen und damit "besser" zu sein.
Wenn Sexualtität als "Machtinstrument" gebraucht wird, richtet sie sich immer gegen Schwächere - Frauen und Kinder.
Besonders Richtlinien, Gesetze und Dogmen, die körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen regulier(t)en, sind bis heute hoch aktiv. Richtet sich Sexualität als Machtinstrument gegen Männer, dann muss der männliche Konterpart "unterlegen" sein, ein Gefangener, sei's im Krieg oder im Gefängnis.
Soviel zur sexualisierten Machtausübung.
Wie kommen jetzt da Frauen und Mütter ins Spiel?
Unsere Ahninnen hatten bei den ersten Überfällen der kaukasischen Hirtennomaden dieser Gewalt nichts, aber auch überhaupt nichts entgegen zu setzen. Denn das Leben im Matrifokal dreht sich um das Leben der Mütter und ihrer Kinder. Alle Männer sind entweder die Brüder der Mütter oder deren Söhne. Alleine das bietet den Müttern und Schwestern Schutz, Hilfe und Unterstützung bei der Bewältigung der täglichen Arbeit, wie Sammeln und Jagen, Herstellung von Kleidung und Nahrung und Bau von temporären Unterkünften.
Die sexuell aktiven Frauen, lebten ihre "Female-Choice" und trafen sich mit sippenfremden Männern z. B. bei großen, gemeinsamen Jagdveranstaltungen oder speziellen Festen. Sexualität fand immer konsensual statt und so hatten die patriarchalen Hirtennomaden leichtes Spiel bei den zuerst ahnungslosen Frauen.
Nun stell dir vor, du lebst mit deiner Mutter, Großmutter, deinem Bruder und deiner Schwester, den Mutterschwestern und deren Kindern, den Mutterbrüdern, Großmutterbrüdern und -schwestern und deinen eigenen Kindern friedlich, eingebettet in deine Mitwelt.
Da kommt eines Tages eine Gruppe von fremden Männern, die freundlich aufgenommen wird, denn das ist so üblich und normal. Sie sind schließlich ebenfalls Kinder von Müttern.
Doch über Nacht töten sie alle deine männlichen Verwandten, vielleicht auch deine Großmutter und die anderen älteren Frauen, bedrohen dich und deine Kinder. Was machst du?
Du siehst, dass du keine Chance hast, wenn du dich wehrst, wirst du auch sterben, so wie das deine Cousine gemacht hat und nun mit gespaltenem Schädel auf dem Boden liegt. Also tust tu alles, um es den Angreifern Recht zu machen, damit sie ihren Zorn und ihre Zerstörungswut nicht gegen dich und deine Kinder richten.
Wenn du Glück hast, hast du den Überfall überlebt. Du wurdest vielleicht Vergewaltigt, aber immerhin haben sie dich am Leben gelassen. Und nach einer Weile merkst du, diese Männer sind vielleicht gar nicht so böse, denn sie geben dir Essen und Wasser zum Trinken. Manchmal kannst du dich sogar mit einem kurz unterhalten und der scheint ja ganz nett zu sein. Auch, wenn er trotzdem immer wieder kommt und dich vergewaltigt. Und nach einer weiteren Weile hast du dich daran gewöhnt, die Schläge, die Vergwaltigungen, das Morden, und es wird "normal" für dich. Auch, weil wir Menschen ein natürliches und angeborenes "Bindungsverhalten" haben, d. h. wir suchen immer die Nähe zu Menschen und wollen Bindungen zu diesen leben. Heute sind das mehrheitlich Freundesgruppen, ArbeitskollegInnen, VereinskameradInnen.
Das nennt man heute "Stockholm-Syndrom".
Unsere gesammte, weltweite Kultur und Gesellschaft lebt, arbeitet und agiert innerhalb dieses kollektiven Stockholm-Syndroms.
Und wenn nun eine Frau und Mutter ihr oder jemandes anderes Kind sexuell schädigt, dann agiert sie innerhalb dieses Systems. Sie hat die Täterschaft so internalisiert, dass es ihr überhaupt nicht komisch oder fremd oder gar krank vorkommt, dass sie hier als verlängerter Arm eines dysfunktionalen Systems handelt.
Dazu kommt, dass sie durch ihr Bindungsverhalten sich die Bindung zum männlichen Täter erhalten möchte. Sie geben die Gewalt an ihre Kinder weiter, damit sie selbst als Frau und Mutter glaubt, von der Gewalt des Mannes/Partners verschont zu werden. Im zweiten Teil dieses Blogartikels gehe ich näher auf das Thema ein.
Dieses System heißt Patriarchat, die Struktur Patriarchose**.
Wir leben alle darin.
Auch Lydia Beneke.
Deshalb kann sie (will nicht?) hinter die wahren Ursachen der psychopathologischen Auswirkungen schauen, die ihr Klientel an den Tag legt.
Zum ganz tief eintauchen in die Thematik empfehle ich den Blog von Stephanie Gogolin: marthastochter.wordpress.com/
*Matrifokal - aus matrilokal, bei der Mutter lebend, und Fokus, auf die Mütter und ihre Bedürfnisse ausgerichtet. Unser über Millionen von Jahren natürliches, evo-biologisches Sozialverhalten, ohne das wir bis heute nicht überlebt hätten.
**Patriarchose - den Begriff hat Dagmar Margotsdotter gefunden
Lies gerne hier weiter:
Das kollektive Stockholm-Syndrom
Warum die klassische Psychotherapie unzureichend ist
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